Wirtschaftsjunioren München diskutieren: EU Zukunfts- oder Auslaufmodell

Ist die Europäische Union ein Zukunfts- oder ein Auslaufmodell? Um diese richtungsweisende Frage zu diskutieren luden die Wirtschaftsjunioren München zum Dialog mit Politik, Wirtschaft und Wissenschaft. Der spannenden und intensiven Diskussion stellten sich unter anderem Europaministerin Dr. Beate Merk, Europaabgeordneter Bernd Posselt und IHK-Präsident Dr. Eberhard Sasse.

Wirtschaftsjunioren München diskutieren: EU Zukunfts- oder Auslaufmodell

Podiumsdiskussion der WJ München unter anderem mit Europaministerin Dr. Beate Merk (Mitte).

Außerdem waren auf dem Podium vertreten: Europaabgeordneter Bernd Posselt sowie die LMU-Professoren Klaus H. Goetz vom Geschwister-Scholl-Institut, Ordinarius für Europäische Integration, und Niklas Potrafke, zugleich Leiter des Zentrums für öffentliche Finanzen am Münchner ifo-Institut. Die Diskussion moderierte Sophie von Puttkamer, organisiert hatte die Veranstaltung Franz Mayer-Theobald und Carsten Schmitz vom Arbeitskreis Gesellschat und Politik der Wirtschaftsjunioren München.

Zeigt nicht die Ukraine-Krise, dass die Europäische Union an ihre Grenzen gelangt ist? Die Ukraine hat eine wichtige Brückenfunktion zwischen Europa und Russland. Diese Brücke muss erhalten bleiben, forderte Ministerin Dr. Merk. „Dort herrscht Krieg, dort sterben täglich Leute. Wir müssen weitere Sanktionen gegen Russland in Betracht ziehen“, so Merk weiter. Bernd Posselt ergänzte, dass es Aufgabe aller Europäer sein muss, sich dem Machthunger Putins entgegen zu stellen. „Doch bisher versteht nur Angela Merkel, worum es Putin wirklich geht“, so Posselt. Wir müssen Putin klar machen, dass wir Europäer eine geschlossen zusammenstehende Wertegemeinschaft sind und dass so etwas nicht geht. Peter Martin forderte hingegen, den Fokus auf eine Stabilisierung der Ukraine zu richten. Dann verliere Russland automatisch Einfluss in der Ukraine.
IHK-Präsident Dr. Sasse sieht in der Europäischen Union eine Familie. Manche Kinder sind schon erwachsen, andere noch in der Pubertät. Wir sollten Ihnen Zeit geben, erwachsen zu werden. Politikwissenschaftler Goetz griff das Bild auf und forderte die Einführung eines Mechanismus für Transferleistungen. „In Familien kommt es nun mal zu Vermögensübertragungen und Ausgleichszahlungen. Eine Familie ist teilweise sogar existentiell darauf angelegt. Darauf sollten wir uns einstellen.“ Dem widersprach Europaministerin Dr. Merk. Wir dürfen nicht als erstes über Umverteilung reden. Das wäre unverantwortlich. Erst müssen die Hausaufgaben gemacht werden, bevor wir über das Taschengeld reden, so Merk weiter. Posselt ergänzte: „Wir sind eine existentiell aufeinander angewiesene Gemeinschaft.“ In der Welt werde nur Europa wahrgenommen, jedes einzelne Land allein, auch Deutschland, sei in der Wahrnehmung unbedeutend. Dessen müssen wir uns bewusst sein und darauf unser Handeln ausrichten.
Muss es also die „Vereinigten Staaten von Europa“ geben, fragte Moderatorin von Puttkamer in die Runde. „Steuerlich niemals“, entgegnete Finanzexperte Potrafke. Das wäre von vornherein zum Scheitern verurteilt, die Mitgliedsstaaten seien zu unterschiedlich. Das sei aber auch gar nicht nötig. Eine Steuer- und Finanz-Union brauchen wir nicht, aber eine politische Union. Dem schloss sich Politik-Experte Goetz an. Die politische Union müsse kommen, damit Europa in der Welt mit einer Stimme sprechen kann. Das sei aber noch ein weiter Weg. Peter Martin sieht die Franzosen am Zug. „Frankreich muss jetzt beweisen, wie man Veränderungen umsetzt, Haushalte konsolidiert und trotzdem die Leute mitnimmt.“ Erst wenn das gelinge, könne man auch die Griechen und andere Staaten dazu bringen, sich zu verändern. „Wir müssen hier pragmatisch vorgehen“, wendete IHK-Präsident Sasse ein. Veränderung könne nur mit einem gewissen Druck erreicht werden. Europaministerin Merk sieht die EU hingegen auf einem guten Weg. „Wir brauchen Zeit, um uns aneinander zu gewöhnen“, so Merk wörtlich. Die Europäische Union sei innerhalb weniger Jahre schnell gewachsen. Dabei seien höchst unterschiedliche Kulturen und Systeme zusammen gekommen. Bevor wir über Neuaufnahmen reden, brauchen wir eine Pause. „Da muss erst zusammenwachsen, was zusammen gehört.“, so Merk.
Peter Martin räumte ein, dass die EU ein riesiges Image-Problem habe. „Das müssen wir ernst nehmen“, so Martin weiter. Sonst werde die EU tatsächlich ein Auslaufmodell. IHK-Präsident Sasse ist über die Image-Probleme der EU wenig verwundert: „Es fehlt das Zielfoto“, merkte Sasse an. Jedes erfolgreiche Unternehmen brauche eine Vision, worauf es hinauslaufen soll, wo man hin will. Das sei für viele Menschen nicht erkennbar. Auf die Frage: „Warum ist Europa wichtig?“ hätten viele Menschen keine Antwort, weil Ihnen keine gegeben wird, so Sasse. Die Frage „Wo wollen wir mit der EU hin?“ ist auch für Finanzexperte Prof. Potrafke die zentrale Fragestellung. Möglicherweise brauchen wir die „Vereinigten Staaten von Europa“, aber nicht aus ökonomischen Gründen. Das müsse man den Menschen klar machen, denn nach den vielen Rettungsschirmen sei der Eindruck entstanden, dass es nur noch darum ginge. Den „Vereinigten Staaten von Europa“ erteilte auch Posselt eine Absage. „Wir brauchen nicht „die“, sondern „so etwas“ wie die Vereinigten Staaten von Europa“, forderte Posselt. Die USA seien dafür aber kein Vorbild. „Wir müssen unseren eigenen Weg finden“, so Posselt. „Und das heißt ganz klar: Mehr Europa im Großen, weniger im Kleinen.“
Politik-Experte Goetz sieht die Ursache für die große Europa-Skepsis der Bürger in der fehlerhaften demokratischen Legitimation der handelnden Akteure. Bei der Bundestagswahl werde über nationale Fragen abgestimmt und nicht über europäische. Gerade die vom Bundestag gewählte nationale Regierung bestimmt aber über den Rat der Europäischen Union die Grundzüge der Europapolitik und die Besetzung der EU-Kommissare. Umgekehrt werde die Europawahl regelmäßig nur als „Stimmungstest“ für die nationale Politik gesehen. „Es ist paradox, dass es keine demokratische Abstimmung über europäische Politik gibt“, stellte Goetz fest und forderte mehr parlamentarische Legitimation für Europa.
Europa-Parlamentarier Posselt sieht die Ursache für die Image-Probleme der EU nicht in der fehlenden parlamentarischen Legitimation, sondern in der schlechten Kommunikation. „Wir müssen den Leuten mal sagen, was das Europaparlament alles macht“, so Posselt. Keine EU-Kommission komme ohne Parlament ins Amt, bei den wichtigsten Entscheidungen sei stets die Zustimmung des Parlaments erforderlich. „Ich habe selbst einmal daran mitgewirkt, eine EU-Kommission zu stürzen“, so Posselt.
Kommissions-Repräsentant Peter Martin findet es gut, dass es jetzt zum ersten Mal mit Jean-Claude Juncker und Martin Schulz Spitzenkandidaten für die Europawahl gibt. Noch nie sei so viel über Europa diskutiert worden wie jetzt, so Martin. Das zeigt, wir sind auf dem richtigen Weg. „Aber die Leute fragen sich: Wie geht es nach der Wahl weiter?“, gab Martin zu bedenken.
„Dass der Spitzenkandidat Kommissionspräsident wird, ist schlecht“, konterte Politik-Experte Goetz. Der Kommissions-Präsident hat keine parlamentarische Mehrheit hinter sich. Das ist noch nicht durchdacht, denn gerade die parlamentarische Mehrheit braucht er. Nur mit einer politischen Mehrheit lässt sich eine eigene Europapolitik machen, die sich von einem Kompromiss von nationalen Politiken unterscheidet.
„Alleine die Tatsache, dass diskutiert wird, zeigt, es passiert was“, fasste Dr. Sasse die Diskussion zusammen. Dem schloss sich Posselt an. Wir reden jetzt endlich über das „Große Ganze“ und ist überzeugt: „Die Gurke war gestern, Europa ist morgen!“
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